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Regulierung des Internets
- Staatliche Inhalteregulierung -

Stephan Uhlmann <su@su2.info>

31.03.2004

Copyright (c) 2004 Stephan Uhlmann

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Contents

Einführung

Diese Ausarbeitung entstand im Rahmen der Veranstaltung ``Regulierung des Internets'' an der Universität Potsdam.

Neben der Regulierung durch den Anbieter (z.B. über FSM1, INHOPE2) und durch den Konsumenten selber (z.B. durch Filter wie ICRAplus3, SurfControl4 usw.) kann auch der Staat regulierend auf das inhaltliche Angebot im Internet einwirken. Er hat dabei zwei Möglichkeiten:

  1. Gesetze als klassischen Interventionismus, bei dem die privaten Akteure kaum eigene Steuerungskapazitäten haben und
  2. Möglichkeiten der regulierten Selbstregulierung, bei denen der Staat nur die Rahmenbedingungen festlegt und die konkrete Ausführung privaten Selbstkontrolleinrichtungen überlässt.
Es werden verschiedene Möglichkeiten der Inhalteregulierung im Internet durch den Staat betrachtet. Dabei betritt er das Spannungsfeld zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung seiner Bürger und dem Wunsch nach Regelungen zum Jugendschutz. Diese Themen stoßen auf relativ hohes Interesse in der Öffentlichkeit. Es soll daher auch beleuchtet werden, inwieweit eine inhaltliche Regulierung des Internetangebots überhaupt effektiv durchsetzbar ist und welche negativen Aspekte auftreten können.

Klassischer Interventionismus

Strafrecht

Eine Vielzahl von unerwünschten Inhalten sind schon allein durch das Strafrecht verboten und können entsprechend geahndet werden. So sind zum Beispiel Angebote mit folgendem Inhalt durch das Strafgesetzbuch (StGB) verboten:

Das Strafrecht kann interessanter Weise in bestimmten Fällen auch für Auslandstaten geltend gemacht werden (z.B. deutsche Staatsbürger im Urlaub) und Nicht-Deutsche wenn es sich um international geschützte Rechtsgüter handelt. Dies ist z.B. beim Verbot der Verbreitung von Kinderpornografie der Fall.

Medienrecht

Unter den Bereich des Medienrechts zählen zwei Gesetzgebungen. Zum einen das Teledienstegesetz (TDG), zuletzt aktualisiert am 14.12.2001, welches so genannte Teledienste reguliert. Dies sind laut Gesetzestext ``Angebote zur individuellen Nutzung mittels Telekommunikation''.

Zum anderen gibt es den Mediendienste-Staatsvertrag der Länder (MDStV), zuletzt aktualisiert am 1.4.2003. Dieser reguliert so genannte Mediendienste, unter denen Dienste mit ``redaktioneller Gestaltung zur Meinungsbildung für die Allgemeinheit'' fallen.

Die Abgrenzung zwischen Telediensten und Mediendiensten ist umstritten und schwierig und hauptsächlich durch die historisch gewachsenen Zuständigkeiten von Bund und Ländern gegeben. Glücklicherweise sind beide Gesetze aufeinander abgestimmt, z.B. sind die allgemeinen Informationspflichten (z.B. die Vorschriften zum Impressum) bei beiden angeglichen.

Jugendrecht

Auch im Jugendrecht gibt es zwei wichtige Gesetze. Das neue Jugendschutzgesetz (JuSchG) gibt es seit dem 1.4.2003 und ist eine Reaktion auf den ``Amoklauf von Erfurt''. Es ersetzt das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medien (GjSM) und das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG). Es befasst sich mit dem allgemeinen Jugendschutz, wie z.B. in den Bereichen Gaststätten, Glücksspiele, Tabak, Alkohol und der Kennzeichnung von Filmen sowie jetzt neu auch von Computerspielen. Die Liste jugendgefährdender Medien fällt unter Landesrecht und damit unter den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV), aktualisiert am 1.4.2003.

Hier wurde die Unterscheidung von Telediensten und Mediendiensten aufgegeben und unter dem gemeinsamen Begriff ``Telemedien'' zusammengefasst. Der JMStV regelt den Jugendschutz für Telemedien und den Rundfunk. Neu ist, dass die Bundesprüfstelle für jugendgfährdende Medien (BPjM) nun auch ohne Antrag aktiv werden kann. Eine neue Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) wird als Organ der Landesmedienanstalten eingerichtet. Sie ist für eine länderübergreifende Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen und die Ahndung von Verstößen zuständig. An die KJM angeschlossen ist die Einrichtung ``jugendschutz.net''. Sie unterstützt die KJM indem sie aktiv Telemedien überprüft und Anbieter informiert.

Sowohl das Jugendschutzgesetz als auch der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag legen die gleichen unzulässigen Inhalte fest. Dazu zählen Straftaten nach StGB, Kriegsverherrlichung, Verletzung der Menschenwürde, Darstellung Minderjähriger in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung, Pornografie und allgemein entwicklungsbeeinträchtigende Angebote.

Mögliche Vorschriften für Anbieter können je nach Art des Inhalts die Einrichtung einer geschlossenen Nutzergruppe (Altersverifikation), eine zeitliche Beschränkung des Angebots auf Uhrzeiten zwischen 23 und 6 Uhr, eine Kennzeichnungspflicht (z.B. im Bereich Filme, Computerspiele) oder die Bestellung eines Jugendschutzbeauftragen. Nur durch die KJM anerkannte Jugendschutzprogramme zur Altersverifikation sind zugelassen. Im Gegensatz zu den USA reicht in Deutschland z.B. eine simple Nachfrage auf einer Webseite, ob die Person über 18 Jahre ist, nicht aus. Ebenfalls reicht die bloße Angabe der Personalausweisnummer nicht aus.


Haftungsrecht

Wichtig bei Angeboten im Internet ist die Frage der Haftung. Hier gibt es verschiedene Akteure.

Anbieter von Inhalten sind nach §8 TDG/ §6 MDStV für eigene Inhalte grundsätzlich voll verantwortlich. Bei einer ``Zu-Eigen-Machung'' von fremden Inhalten (z.B. in Foren, Gästebüchern, ...) ist man dafür nicht verantwortlich, solange man keine Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten hat und bei Kenntniserlangung diese unverzüglich entfernt oder sperrt.

Ein Host-Service-Provider, der fremde Inhalte lediglich speichert, ist nach § 11 TDG/ §9 MDStV nicht dafür verantwortlich,wenn er keine Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten hat, eine eventuelle Sperrung/Löschung nicht unterlässt, keine Offensichtlichkeit vorhanden ist (wie z.B. bei der Bereitstellung von MP3-Tauschbörsen) und keine Unterstehung/Beaufsichtigung des Nutzers vorliegt (z.B. Verhältnis Lehrer/Schüler).

Ein Network- oder Access-Service-Provider, der fremde Inhalte nur durch sein Netzwerk durchleitet ist nach §9 TDG/ §7 MDStV ebenso nicht für die Inhalte verantwortlich, solange er die Übertragung nicht selber veranlasst hat oder eine Auswahl der Adressaten vornimmt.

Ein Cache-Provider, der nur zwischengespeicherte fremde Inhalte übermittelt, ist nach §10 TDG/ §8 MDStV ist dafür auch nicht verantwortlich. Es gelten aber besondere Voraussetzungen, z.B. dass er die Informationen selber nicht verändert.

In Bezug zum Haftungsrecht gab es einige interessante Prozesse in der Vergangenheit. So z.B. gegen Felix Somm im Jahre 1998/1999, dem ehemaligen Chef von CompuServe Deutschland. Er wurde 1998 wegen der Mittäterschaft bei der Verbreitung von Kinder-, Gewalt- und Tierpornografie im Internet verurteilt, da er die Verantwortung für den technischen Zugang zu entsprechenden News-Servern in den USA hatte. 1999 wurde er in der Berufung mit der Begründung, dass ein Online-Vermittler (Internet-Provider) den Zugriff auf illegale Inhalte nicht verhindern kann, wieder freigesprochen[3]. In der Zwischenzeit hatte dieser Prozess zu dieser Zeit natürlich für viel Aufregung unter den Internet-Providern gesorgt.

Ebenso dramatisch wurde im Jahre 2002 Tim Koogle, ehemaliger Präsident von Yahoo, von einem Pariser Straftribunal wegen ``Verbrechen gegen die Menschheit'' und ``Rechtfertigung von Kriegsverbrechen'' zu einem symbolischen Euro Schadenersatz verurteilt. Grund war die Versteigerung und (mittels Suchfunktion) Bewerbung von Nazi-Devotionalien auf dem Yahoo-Portal. 2003 wurde er jedoch wieder freigesprochen, da die Kriegsverbrechen nicht ``glorifiziert, gerühmt oder zumindest unter ein günstiges Licht gerückt wurden''.[4] Auch hier gab es viel Diskussion, inwieweit ein Provider für die Übermittlung von fremden Inhalten verantwortlich gemacht werden kann.

Telekommunikationsgesetz

Für die Inhalteregulierung im Internet spielt das Telekommunikationsgesetz eine eher untergeordnete Rolle. Es dient der ``Förderung von Wettbewerb und Ausreichender Abdeckung im Bereich der Telekommunikation'' und regelt die Frequenzordnung. Am 15.10.2003 gab es jedoch einen Regierungsentwurf für ein neues TKG, mit dem ein Richtlinienpaket der Europäischen Union umgesetzt werden soll. Vorgesehen sind unter anderem verstärkte Überwachungsauflagen für Provider[5]. Am 20.11.2003 wurde durch den Rechtsausschuss des Bundesrats sogar eine noch stärkere Überwachung in Form von mindestens 6 Monaten Vorratsdatenspeicherung der ``Verkehrsdaten'' gefordert[6]. Hier ist die Speicherung der sogenannten Verbindungsdaten gemeint, also der Daten, die bei der Einwahl beim Provider entstehen (Zeitpunkt und Dauer der Internetverbindung, Benutzerkennung, ...). Diese sind auch dafür geeignet, Verstöße gegen die staatlichen Ge- und Verbote bzgl. des Anbietens von Inhalten im Internet zu verfolgen.

Aktuell wurde eine überarbeitete Version des TKG im Bundestag verabschiedet, stößt aber auf die gleiche Ablehnung im Bundesrat, der sich weitreichendere Überwachungsmöglichkeiten wünscht.[7]

Die Düsseldorfer Sperrungsverfügung

Eines der aktuellen Fälle staatlicher Inhalteregulierung ist die Düsseldorfer Sperrungsverfügung. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat nach Mediendienste-Staatsvertrag (MDStv) die Medienaufsicht in Nordrhein-Westfalen. In dieser Funktion hat sie am 8.10.2001 insgesamt 56 Internet Service Provider (ISP) in ihrem Bundesland aufgefordert, vier Webseiten in den USA für ihre Nutzer zu sperren. Im November 2001 findet eine Anhörung statt, bei der erste Provider Zustimmung signalisieren, andere jedoch vehement protestieren. Ab 6.2.2002 beginnt die daraufhin Bezirksregierung so genannte Sperrungsverfügungen an die Provider zu verschicken, in der sie dazu angehalten werden zwei Webseiten aus den USA mit rechtsradikalem Inhalt zu sperren. Gegen diese Sperrungsverfügung legten am 12.3.2002 einige Provider Widerspruch ein, der von der Bezirksregierung zurückgewiesen wurde.

Die rechtliche Grundlage bildet der Mediendienste-Staatsvertrag. Internet-Provider sind eigentlich nicht haftbar für die von ihnen vermittelten Inhalte (siehe sub:Haftungsrecht). Doch besagt §22 Abs. 3 MDStV, dass wenn sich Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen als nicht durchführbar oder erfolgversprechend erweisen, dann können Sperrungen gegen die Diensteanbieter fremder Inhalte gerichtet werden, sofern sie technisch möglich und zumutbar ist. Den Argumenten der Bezirksregierung sind andere Maßnahmen durchaus nicht durchführbar, da die deutschen Gesetze in den USA nicht anerkannt und vollstreckbar sind. Nachdem auch Anschreiben der Betreiber erfolglos blieb und von den Providern in den USA keine Reaktion erfolgte, werden diese Maßnahmen auch als nicht erfolgversprechend eingestuft. Für die Provider in Deutschland hingegen ist die Sperrung hingegen sowohl technisch möglich, als auch zumutbar. Denn die vorgeschlagenen Sperrungsmöglichkeiten über eine spezielle Konfiguration im DNS-Server, eine Filterung im Proxy-Server oder die Sperrung der IP-Adressen auf dem jeweiligen Router ist laut Bezirksregierung nur mit kurzem personellen Aufwand und keinem Sachaufwand durchzuführen.

Die Provider sind da jedoch anderer Meinung. Sie bezweifeln die Wirksamkeit der Sperrung und auch deren Zumutbarkeit, besonders wenn die Anzahl der zu sperrenden Webseiten ausgeweitet werden soll. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. (eco) befürchtet einen ``Bumerang-Effekt''. Durch die Sperrung würde erst recht die Aufmerksamkeit auf diese Webseiten gelenkt werden, was sie nur bekannter machen würde. Durch die weltweite Struktur des Internets wären die Angebote ja weiterhin verfügbar. Statt die Provider als Schuldige zu verurteilen, sollte man ``das Übel an der Wurzel packen'' und die eigentlichen Urheber der gesetzeswidrigen Inhalte verfolgen.[8]

Die Reaktionen der Internet-User waren nicht minder besorgt. Sie haben verfassungsrechtliche Bedenken und befürchten Zensur. Die Sperrung ist nicht wirksam, denn die DNS-Sperre lässt sich leicht umgehen[9]. Die erreichten Ergebnisse halten sie gegenüber dem Verlust der Grundrechte für nicht verhältnismäßig. Der Bezirksregierung und speziell dem Düsseldorfer Regierungspräsidenten Jürgen Büssow wird reiner Aktionismus vorgeworfen, bei dem man sich als Held im Kampf gegen Rechtsextremismus profilieren möchte. Es wird erwartet, dass zu den zwei aktuell gesperrten Webseiten bald mehr hinzukommen werden und die Sperrungsverfügung nur eine Art ``Versuchsballon'' ist. Der Kampf gegen Rechtsextremismus wird für einen ``Rammbock'' für den Ausbau einer weitergehenden Zensur-Infrastruktur gehalten. Schließlich lässt sich eine viel breitere Öffentlichkeit davon überzeugen, wenn es um die Sperrung von Webseiten mit rechtsradikalen Inhalten geht.

Als ein besonders aktiver Gegner der Sperrungsverfügung ist die Initiative für ein freies Internet ODEM[10]. Unter anderem wurde Strafanzeige gegen filternde Provider (wegen Datenunterdrückung, Computersabotage, Verletzung des Fernmeldegeheimnisses) und die Bezirksregierung (wegen Anstiftung, Nötigung) gestellt. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt, da kein ``hinreichender Tatverdacht'' vorliege. Interessant ist auch die Einrichtung des ``Freedom-Fones''5, einem Web-to-Phone Dienst, bei dem man sich beliebige Webseiten, auch zensierte, vorlesen lassen kann. Diese satirische Lösung der Situation deutet schon die Probleme von Webseiten-Sperrungen an.


Regulierte Selbstregulierung

Durch den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) haben die Landesbehörden die Möglichkeit private Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle zuzulassen. Dies ist durch §19 JMStV geregelt. Dazu muss sie vorher durch die KJM offiziell anerkannt bzw. zertifiziert werden.

Aktuell gibt es folgende nicht-staatliche Selbstkontrolleinrichtungen

Die Einrichtung jugendschutz.net ist eine staatliche Stelle, denn sie ist direkt an die KJM angebunden. Sie durchsucht aktiv das Internet nach jugendgefährdenden Inhalten bzw. nimmt Hinweise dazu entgegen. Es wird dann versucht den Anbieter dazu zu bewegen das Angebot anzupassen (z.B. mittels Altersverifikation) oder ganz zu sperren.

USK und FSK nehmen ihre Aufgabe im Auftrag der Obersten Landesjugendbehörden wahr, die deren Urteil zur Altersfreigabe übernehmen.

Die FSF wurde als erste Einrichtung am 18. Juni 2003 durch die KJM anerkannt.[11]

Die FSM hat erst kürzlich, am 6.2.2004, nach einigem Widerstand[12] gegen den neuen JMStV Antrag auf Anerkennung als Selbstkontrolleinrichtung bei der KJM eingereicht [13]. Für die Abhilfeaufforderungen der FSM, die bei Verstößen gegen den Jugendschutz ausgesprochen werden, gab es bisher keine rechtliche Bindung. Dies würde sich durch die Anerkennung durch die KJM als offizielle Selbstkontrolleinrichtung ändern.

Eines der Problemfelder einer regulierten Selbstregulierung ist die Gefahr einer härteren Regulierung, als dies durch staatlichen Einfluss der Fall wäre. Privatwirtschafliche Einrichtungen möchten schlechtes öffentliches Ansehen vermeiden und können daher dazu neigen eher zu strikt zu urteilen, um dieses Ansehen nicht zu gefährden. Dies ist besonders im Falle des Jugendschutzes der Fall, da dies ein besonders sensibler Bereich ist, der in der Gesellschaft hohes öffentliches Interesse hervorrufen kann. Die Verurteilung von Computerspielen nach dem Amoklauf von Erfurt ist ein Beispiel dafür[14].

Jugendschutz oder Zensur?

Der Fall der Düsseldorfer Sperrungsverfügung zeigt wie kontrovers das Thema der staatl. Inhalteregulierung des Internets diskutiert wird. Auf der Seite der Befürworter stehen hauptsächlich die Vertreter der Politik, die eine stärkere Kontrolle fordern. Insbesondere der Jugendschutz wird ins Feld geführt. Gegner betrachten die Sperrungen als Zensur, die sich momentan sicher noch von der Art Zensur unterscheidet, wie man sie in Staaten wie China[15], Kuba[16] oder Iran[17] antrifft, aber immerhin ein Schritt in diese Richtung ist. Auch wenn es aktuell nur um einige wenige Webseiten mit allgemein ungewünschten Inhalt geht, so wird befürchtet, dass dies die schleichende Einführung einer Zensur-Infrastruktur ist. Die Provider sind ebenso auf der Seite der Gegner staatlicher Regulierung [8]. Sie setzen eher auf die Selbstkontrolle[18].

Es stellt sich auch die Frage, ob man das Internet überhaupt filtern kann. Gesetzeswidrige Inhalte, die auf Servern innerhalb Deutschlands liegen, können ohne weitere Probleme gelöscht und der Urheber belangt werden. Jedoch Inhalte, die auf ausländischen Servern veröffentlicht werden, können nicht durch nationales Recht reglementiert werden. Das Internet ist ein grenzüberschreitendes Medium. Daher kann der Staat höchstens versuchen seine eigenen Bürger durch Sperren bei den Internet-Providern davon fernzuhalten. Es ist jedoch erwiesen, dass diese Sperren leicht zu umgehen sind [19]. Sie treffen also nur den technisch etwas unbedarften Menschen, der dazu vielleicht nicht in der Lage ist. Man kann jedoch annehmen, dass dies gerade nicht die Menschen sind, die sich für die gesetzeswidrigen Inhalte interessieren. Wer Zugang zu diesen Inhalten haben will, der kann ihn sich auch verschaffen. Dies wird im Falle der Düsseldorfer Sperrungsverfügung sogar eingesehen [20]. Der virtuelle Ortsverein der SPD bezeichnete das Vorhaben das Internet mittels Sperrung einzelner Webseiten zu filtern "als wolle man den Golfstrom im Atlantik mittels einer Din-A4-Seite aufhalten"[21].

Auch stellt sich die Frage, ob man solche Filter denn überhaupt will. Würde jeder Staat der Welt versuchen, seine Gesetze auf das gesamte Internet anzuwenden, so hätte man alsbald ein undurchschaubares Filtersystem. Man könnte nicht mehr sicher sein, welche Informationen in welchem Land überhaupt noch ankommen. Dies stößt bei den Benutzern des Internets auf Ablehnung. Kürzlich warnten z.B. die Pioniere des Internets Vint Cerf und Bob Kahn vor einer Überregulierung des Internets [22].

Ebenso wird die Meinung vertreten, dass das Ausblenden von unerwünschten Inhalten und damit von Problemen der Gesellschaft, keine Lösung ist. Im Gegenteil, das Vorhandensein dieser Inhalte weise ja auf Probleme hin, mit denen man sich auseinandersetzen müsse [23]. Man solle die Ursachen der Probleme bekämpfen und nicht das Internet.

Die KJM sieht Sperrungsverfügungen gegen Internet-Provider zwar als ``Ultima ratio'', hält sie jedoch für notwendig [24]. Dies ist insofern eine beachtenswerte Aussage, als dass die FSM ja Antrag auf Anerkennung als Selbstkontrolleinrichtung bei der KJM eingereicht hat [13]. Es zeichnet sich also ab, dass eine Inhalteregulierung des Internets zunehmend mittels regulierter Selbstregulierung vorgenommen werden soll. Ob dies dann auch zu einer stärkeren Filterung des Internets durch die Provider führt, bleibt abzuwarten. Die in Abschnitt sec:Regulierte-Selbstregulierung geschilderte Gefahr der härteren Regulierung lässt dies befürchten.

Als problematisch könnte sich auch der nationale Ansatz der bisherigen Bestrebungen zur Inhalteregulierung erweisen. Es verschafft der Zensur des Internets in autoritären Systemen eine gewisse Legitimität. Möglichkeiten einer internationalen Übereinkunft zur Regulierung des Internets werden aktuell im Rahmen des WSIS6 besprochen. Bisher gab es dort jedoch keine nennenswerten Ergebnisse in dieser Richtung.

Bibliography

1
netlaw.de, Gesetzessammlungen Online-Recht
http://www.netlaw.de/gesetze/

2
Lehrer Online, aktuelle und verständliche Informationen zum Thema ``Neue Medien und Recht''
http://www.lehrer-online.de/url/recht

3
Heise News, ''Porno-Prozess: Somm freigesprochen'', 17.11.1999
http://www.heise.de/newsticker/meldung/6965

4
Telepolis, ``Letztes Kapitel im unendlichen Fall Yahoo'', 13.2.2003
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/14177/1.html

5
Heise News, ``Bundeskabinett verabschiedet umstrittenen Entwurf für TK-Gesetz'', 15.10.2003
http://www.heise.de/newsticker/meldung/41082

6
Heise News, ``Länder fordern stärkere Überwachung der Telekommunikation'', 20.11.2003
http://www.heise.de/newsticker/meldung/42224

7
Heise News, ``Bundesrat für grundlegende Überarbeitung des TK-Gesetzes ``, 20.3.2004
http://www.heise.de/newsticker/meldung/45943

8
eco Pressemitteilung, ``Anhörung in NRW: Sperren unliebsamer Webseiten ist unmöglich und unwirksam'',13.11.2001
http://www.eco.de/servlet/PB/menu/1015590/index.html

9
CCC, ``Internet-Zensur'' (u.a. Anleitung zur Umgehung von DNS-Sperren)
http://www.ccc.de/censorship/

10
ODEM, ``Internet-Zensur in Deutschland''
http://www.odem.org/informationsfreiheit/

11
KJM Pressemitteilung, ``FSF als erste Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle anerkannt ``, 24.6.2003
http://www.alm.de/gem_stellen/presse_kjm/pm/240603.htm

12
Heise News, ``Laute Proteste gegen neue Auflagen beim Jugendmedienschutz'', 12.8.2002
http://www.heise.de/newsticker/meldung/29880

13
FSM Pressemitteilung, ``FSM strebt intensive Zusammenarbeit mit Kommission für Jugendmedienschutz an``, 6.2.2004
http://www.fsm.de/?s=News&news_id=295

14
Telepolis, ``Die Wahrheit über das Massaker in Erfurt'', 29.4.2002
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/12432/1.html

15
Heise News, ``China blockiert Internetseiten der Deutschen Welle'', 12.3.2004
http://www.heise.de/newsticker/meldung/45463

16
Heise News, ``Kuba beschränkt Internet-Zugang'', 11.1.2004
http://www.heise.de/newsticker/meldung/43522

17
Heise News, ``Netz-Zensur im Iran: Kulturelle Vorbehalte'', 12.12.2003
http://www.heise.de/newsticker/meldung/42865

18
Heise News, ``IT-Verband setzt auf Selbstregulierung bei 'illegalen Inhalten''', 24.6.2002
http://www.heise.de/newsticker/meldung/28535

19
Freerk, ``HOWTO bypass Internet Censorship''
http://nocensor.citizenlab.org/

20
ODEM, ``Der 08/15-Weg''
http://www.odem.org/informationsfreiheit/o-ton-08-15-placebo.html

21
Presseerklärung des VOV der SPD, ``Bezirksregierung sperrt sich gegen Vernunft'', 11.2.2002
http://www.vov.de/von-uns/presse/mitteilung.phtml?id=111

22
Heise News, ``'Väter des Internet' warnen vor Überregulierung''
http://www.heise.de/newsticker/meldung/46052

23
Heise News, ``Müller-Maguhn: 'Rechtsradikale Propaganda ist nützlich''', 22.9.2000
http://www.heise.de/newsticker/meldung/12060

24
c't aktuell, Interview mit Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring (Vorsitzender der KJM), 20.12.2003
http://www.heise.de/ct/aktuell/meldung/43117

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The translation was initiated by Stephan Uhlmann on 2004-04-12


Footnotes

... FSM1
Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter, http://www.fsm.de/
... INHOPE2
Association of Internet Hotline Providers in Europe, http://www.inhope.org/
... ICRAplus3
http://www.icra.org/
... SurfControl4
http://www.surfcontrol.com/
...``Freedom-Fones''5
http://w2p.odem.org/
... WSIS6
World Summit on the Information Society, http://www.itu.int/wsis/

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